Die plötzlich geänderten Lebensverhältnisse stellen vielfach die vor der COVID-19-Krise begonnenen Projekte und eingegangenen Verpflichtungen in Frage. In der Regel ist es unproblematisch im Einvernehmen Verträge darauf anzupassen bzw. abzuändern. Es wird noch zu prüfen sein, ob dies auch auf Verträge mit der öffentlichen Hand zutrifft. Gerade die neuen Regeln des BVergG 2018 gestatten die Änderung von bereits vergebenen Aufträgen in nur in engen Grenzen.
Abgesehen davon stellt sich jedoch die Frage, wie sich die andauernde Krise auf Bestand und Inhalt zuvor abgeschlossener Verträge auswirkt bzw. ob es möglich ist diese einseitig aufzulösen. Dazu folgende – schlaglichtartige – Gedanken:
Irrtumsanfechtung
Viele internationale Verträge zwischen Unternehmern enthalten Klauseln zu Rechtsfolgen bei höherer Gewalt (sog. „Force-Majeure“-Klauseln). Abgesehen davon werden in der Regel beim Abschluss des Vertrages die Parteien nicht an die Möglichkeit einer Pandemie und die daraus resultierenden geänderten Rahmenbedingungen gedacht haben. Insofern befanden sich die Parteien daher in einem Irrtum. Bei entgeltlichen Verträgen (zB Kauf- und Werkvertrag) ist eine Berufung auf einen Irrtum über künftige Entwicklungen nicht möglich bzw. unbeachtlich. Anders ist dies bei unentgeltlichen Verträgen (zB Schenkungen), weshalb hier eine Irrtumsanfechtung im gegebenen Zusammenhang nicht von vornherein ausscheidet.
Wegfall der Geschäftsgrundlage
Geschäftsgrundlage sind einem Geschäft typisch zugrundeliegende Umstände, die von beiden Vertragspartnern (als selbstverständlich) vorausgesetzt werden. Ändern sich solche geschäftstypischen Umstände, kann eine Anfechtung bzw. eine Anpassung des Vertrages unter eingeschränkten Voraussetzungen möglich sein. In der bisherigen österreichischen Rechtsprechung wurde jedoch nur in sehr seltenen Ausnahmefällen eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage als zulässig akzeptiert. Bei außergewöhnlichen Ereignissen, wie die derzeitige Pandemie, wird dies zu bedenken sein.
Rücktritt vom Vertrag
Es wurde schon aufgezeigt, dass im Fall des Verzugs dem Leistungsempfänger ein Rücktrittsrecht zukommt. Gesetzliche Voraussetzung für einen wirksamen Rücktritt ist allerdings, dass dem Leistungserbringer eine angemessene Nachfrist (2. Chance) gegeben wird. Ein Verschulden des Leistungserbringers am Verzug ist hingegen nicht Voraussetzung, weshalb die derzeitige Situation einen Rücktritt vom Vertrag ermöglichen könnte. Fraglich ist natürlich, wie im Einzelfall die angemessene Nachfrist zu bemessen ist. Es werden die konkreten Leistungshindernisse durch die erforderlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung von COVID-19 zu berücksichtigen sein. Übersehen werden darf bei der Fristbemessung aber auch nicht, dass das Interesse des Empfängers an der ihm zugesagten Leistungserbringung nicht plötzlich ohne Bedeutung ist.
Zudem ist die Vereinbarung von Rücktrittsrechten, ohne dass es einer Nachfristsetzung bedarf, zulässig und gängig. Die ÖNORM B 2110 sieht zB vor, dass bei Behinderung der Erbringung von wesentlichen Vertragsleistungen durch 3 Monate, jeder Vertragspartner sofort vom Vertrag zurücktreten kann. Diese Bestimmung zielt natürlich auf die Leistung des AN ab, wobei es zunächst unerheblich ist, aus welcher Sphäre die Behinderung stammt. Schwierig zu lösen ist, ob ein Rücktritt auch möglich ist, wenn die Leistungserbringung nicht gänzlich unmöglich ist, sondern eingeschränkt erfolgen kann (wie dies nun auf den Baustellen wieder der Fall sein soll). Es wird dabei zu beurteilen sei, ob durch Umstellung und Optimierung des Baubetriebes eine Verzögerung um mehr als 3 Monate vermieden werden kann.
Fix- / Termingeschäft
Eine Vielzahl an Verträgen ist zu einem bestimmten (nicht verschiebbaren) Termin zu erfüllen. Durch die Nichteinhaltung des Termins löst sich bei einem Fixgeschäft der Vertrag auf, ohne dass eine Nachfrist notwendig ist. In normalen Zeiten wäre zB an Reiseverträge, Lieferungen und Dienstleistungen für Veranstaltungen zu denken. Es ist aber auch zu beachten, dass Bauträgerverträge als gesetzliches Erfordernis einen spätest möglichen Übergabezeitpunkt für die gekaufte Eigentumswohnung vorsehen müssen. Vielfach stehen diese zugesagten Termine nun in Frage. Im Regelfall hat der Käufer auch seine bisherige Wohnung im Hinblick auf den zugesagten Termin gekündigt oder verkauft.
Aufgrund geänderter wirtschaftlicher Möglichkeiten, könnte die Möglichkeit eines „Ausstiegs“ aus dem Vertrag wegen Nichteinhaltung des zugesagten Termins überlegt werden.