Zahlreichen Bauunternehmen sind durch die COVID–Schutzmaßnahmen Mehrkosten entstanden. Der Oberste Gerichtshof hat sich nun jüngst (6 Ob 136/22a) mit dieser Problematik auseinandergesetzt und dabei auch festgehalten, wie detailliert Auftragnehmer (unabhängig von den COVID–Maßnahmen) Mehrkostenforderungen (in der Folge kurz „MKF“) geltend zu machen haben. In dem betreffenden Verfahren war die Klägerin vor März 2020 von der Beklagten mit Bauarbeiten an einer Brücke beauftragt worden und machte in der Schlussrechnung unter anderem Forderungen wegen COVID–19–bedingte Mehrkosten geltend.
Im Zusammenhang mit den Corona–Maßnahmen 2020 stellt sich die Grundsatzfrage, ob die Kosten für die Einhaltung der Maßnahmen vom Auftraggeber (AG) oder vom Auftragnehmer (AN) zu tragen sind. Zur Lösung dieser Frage ist eine Risikozuordnung vorzunehmen. Grundsätzlich erfolgt die Risikozuteilung nach § 1168 ABGB. Sofern die ÖNORM B 2110, wie im vorliegenden Fall, vereinbart wurde, erfolgt die Zuteilung anhand Punkt 7.2.1 ÖNORM B 2110, wonach unvorhersehbare Ereignisse der Sphäre des AG zuzuordnen sind.
Im vorliegenden Fall machte die Klägerin Mehrkosten von rund EUR 30.000,00 für Schutzmasken, Einbett- statt Zweibettzimmer, Desinfektionsmittel, kollektivvertraglich vorgeschriebene Aufzahlungen auf den Arbeitslohn und Leistungsabfall geltend. Der OGH kam aufgrund der nach der ÖNORM B 2110 zu treffenden Sphärenzuteilung zu dem Schluss, dass die Beklagte als AG grundsätzlich für diese COVID-19 bedingten Mehrkosten ersatzpflichtig ist, wenn diese konkret nachgewiesen werden. Wie die Rechtslage nach dem § 1168 ABGB ist, ließ der OGH bewusst offen. Aufgrund des unzureichenden Nachweises der Mehrkosten kam es dennoch zur Klagsabweisung. Bloß abstrakte bauwirtschaftliche Gutachten reichten dem OGH zum Nachweis nicht. Es fehlte Vorbringen zu den einzelnen Schäden, z.B. wieviele Masken wurden (konkret) für wieviele Mitarbeiter gekauft, etc.
Die aufgestellten Grundsätze des Obersten Gerichtshofs sind für sämtliche MKF von Relevanz. Den AN trifft die Behauptungs- und Beweislast hinsichtlichder konkret entstandenen Mehrkosten. Bauwirtschaftlichen Gutachten ohne Bezug zur konkreten Baustelle, reichen zum Nachweis nicht. Im Prozess muss konkretes Vorbringen erstattet werden, welches auch zu Beweisen ist. Das erschwert die Geltendmachung von MKF. Eine gute Dokumentation bereits während der Bauphase ist dringend anzuraten.
Für Rückfragen stehen unsere Baurechtsrechtsexperten Mag. Bernhard Scharmüller und Mag. Dr. Mario Höller-Prantner gerne zur Verfügung.
Die Entscheidung im Volltext finden Sie hier: RIS – 6Ob136/22a – Entscheidungstext – Justiz (bka.gv.at)