Mit Stichtag 01.05.2023 und somit nach mehr als 10 Jahren ist es nun soweit, die ÖNORM B2110 in ihrer neuesten Version ist erschienen. Es handelt sich dabei um die wesentlichste Werkvertragsnorm, da sie allgemeine Vertragsbestimmungen für Bauleistungen enthält. Als bewährtes Instrument der Vertragsgestaltung ist sie als Vertragsschablone aus kaum einem Bauvertrag wegzudenken. Am 01.Mai 2023 ist nunmehr die Neuausgabe der Norm erschienen, wobei die vollzogenen Adaptierungen größtenteils sprachlicher oder struktureller Natur sind.
Vereinzelt wurden jedoch auch inhaltliche Modifizierungen vorgenommen. Die wesentlichen Änderungen sind im Folgenden in der gebotenen Kürze dargestellt:
- Das Leistungsziel gemäß Punkt 3.9. definiert sich nunmehr nicht mehr als „angestrebter Erfolg“ der Leistungen des Auftragnehmers, sondern als „angestrebter Zweck“.
- Unter Punkt 3.16. findet sich nun eine Definition für „Value Engineering“. Darunter wird das Verfahren zur Behandlung alternativer Ausführungsvorschläge des Auftragnehmers nach Vertragsabschluss verstanden.
- Bei Vereinbarung der ÖNORM B2110 sind die Vertragspartner nun verpflichtet, auf Verlangen alle Informationen zur Verfügung zu stellen, die zur Überprüfung der Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen an die eingesetzten Baumaterialien bzw. Bauteile erforderlich sind (Punkt 5.2.6.)
- Der bisher bereits festgeschriebene Rücktrittsgrund vom Vertrag bei Untergang der Leistung wird dahingehend modifiziert, dass nun ein Rücktritt bereits bei Untergang eines großen Teils der Leistung möglich ist.
- Der Terminus „garantierte Angebotssumme“ im Zusammenhang mit Alternativangeboten wird durch den Begriff des „garantierten Gesamtpreises“ ersetzt (Pkt. 6.3.3).
- Die Regelung zum Fixgeschäft gemäß Punkt 6.5.2. entfällt.
- Die Zumutbarkeit einer Leistungsabweichung für den Auftragnehmer wurde bisher nicht näher definiert. In der aktuellen Ausgabe wird nun festgehalten, dass eine Abweichung jedenfalls zulässig ist, wenn sie mit den ursprünglich erforderlichen Produktionsfaktoren erbracht werden kann. Dies bedeutet jedoch im Umkehrschluss nicht, dass die Notwendigkeit zusätzlicher Produktionsfaktoren die Zumutbarkeit zwingend ausschließt.
- Die Regelung zur Schlussfeststellung gemäß Punkt 11. entfällt.
- Das Ende der Verjährungsfrist zur Geltendmachung der Rechte aus der Gewährleistung wird angepasst und endet nun 3 Monate nach Ablauf der Gewährleistungsfrist.
- Bei Entscheidung einer Streitigkeit durch ein Schiedsgericht ist jenem bei der Wirtschaftskammer Österreich der Vorzug vor einem Ad-hoc Schiedsgericht (von den Parteien kontrolliertes Schiedsverfahren) zu geben.
- Im Gegensatz zu der Vorversion erhält die ÖNORM B2110 nun im Anhang auch Formulierungsvorschläge zu den Themen kostenmindernde Leistungsänderungen und Bonusregelung.
Für Rückfragen stehen unsere Baurechtsrechtsexperten Mag. Bernhard Scharmüller und Mag. Dr. Mario Höller-Prantner gerne zur Verfügung.