Der Unternehmer eines Bauwerks kann vom Werkbesteller ab Vertragsabschluss für das noch ausstehende Entgelt eine Sicherstellung bis zur Höhe eines Fünftels des vereinbarten Entgelts verlangen. Als Sicherstellung werden in der Praxis oft Bankgarantien angeboten. Bankgarantien sind grundsätzlich vom Bestand der gesicherten Hauptschuld unabhängig. Einwendungen und Einreden aus dem Werkvertrag können nicht geltend gemacht werden. Die Inanspruchnahme der Bankgarantie kann nur im Fall von Rechtsmissbrauch verhindert werden. Rechtsmissbrauch wird von der Judikatur sehr selten angenommen.
Der OGH hat nun zu 7 Ob 216/19v entschieden, dass Rechtsmissbrauch bei Inanspruchnahme einer Garantie zur Sicherung nach § 1170b ABGB dann vorliegen kann, wenn die Garantie am letzten Tag der Frist im Bewusstsein abgerufen wird, dass die Forderung aus der Schlussrechnung (auch bei mangelfreier Leistung) noch nicht fällig war und innerhalb der laufenden Garantiefrist auch nicht mehr fällig werden würde, und dass außerdem noch Fertigstellungsarbeiten und Mängelrügen offen waren, das Werk also noch nicht abgenommen war. Bankgarantien zur Sicherung nach § 1170b ABGB dienen zur Sicherstellung der Zahlung des Entgelts im Fall eines Zahlungsverzuges. Die Abrufung vor Eintritt des Garantiefalls Zahlungsverzug erfolgte bewusst zu vertragsfremden Zwecken, weshalb Rechtsmissbrauch evident sei.
Offen ließ der OGH, ob Rechtsmissbrauch auch dann noch vorliegt, wenn die Verlängerung der Bankgarantie verweigert wurde.